Veranstaltung: | 39. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | BAG Landwirtschaft / BAG Tierschutzpolitik (beschlossen am: 08.10.2015) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 08.10.2015, 20:02 |
V-13: Tiere in der Landwirtschaft - Eine Frage der Haltung
Antragstext
Wir wollen raus aus der agroindustriellen Sackgasse! Damit der Umbau der Landwirtschaft hin
zu einer umwelt- und tiergerechten Landwirtschaft gelingt, müssen wir uns gemeinsam auf den
Weg machen: Bäuerinnen und Bauern, Verbraucherinnen und Verbraucher, die
Lebensmittelindustrie und der Handel, die Wissenschaft – insbesondere die Agrar- und
Ernährungswissenschaften - und die Politik. Im krassen Gegensatz zu den oft idyllisch
anmutenden Werbebotschaften von Lebensmittelhandel und Agrarindustrie gibt es mittlerweile
für über hundert Millionen Tiere in der Landwirtschaft im Laufe ihres kurzen Lebens keinen
Tag, an dem sie ihrer trostlosen Stallhaltung entrinnen können. Auf den Weiden sieht man
immer seltener Kühe. Schafe, Ziegen, Schweine und Geflügel sind fast vollkommen aus der
Landschaft verschwunden. Mit der Industrialisierung der Tierhaltung nahm der Konsum von
Lebensmitteln tierischen Ursprungs drastisch zu. Tiere sind zum Stückgut geworden – wie
Schrauben oder Nägel. Eine gute Qualität einschließlich einer tiergerechten Haltung ist aber
nicht massenhaft und billig zu haben. Hier fordern wir ein Umdenken zu mehr Tierschutz.
Darauf müssen Zucht und Haltung ausgerichtet sein. Die Tiere sollen ihre arteigenen
Verhaltensweisen ausüben können und die Zahl der Tiere muss eindeutig der bewirtschafteten
Fläche angepasst sein. Für gutes Essen und eine grüne Landwirtschaft, in der Tiere
artgerecht leben können, brauchen wir einen Agrarmarkt, in dem die LandwirtInnen für gute
Arbeit faires Entgelt bekommen. Dafür wollen wir Grüne die richtigen politischen
Rahmenbedingungen setzen.
TIERHALTUNG
Die derzeit geltenden gesetzlichen Vorgaben erlauben eine qualvolle Enge im Stall und
verhindern das Ausleben von artspezifischen Verhaltensweisen und Bedürfnissen.
Grüne Lösungen:
· Tiere müssen ihre arteigenen Bedürfnisse ausleben können
· das Töten von männlichen Küken beenden
· betäubungslose Kastration sofort verbieten
· das im Tierschutzgesetz verankerte Amputationsverbot (Schnabelkürzen, Ringelschwanz
abschneiden) konsequent umsetzen
· Agrarinvestitionsförderung nur noch für tiergerechte Haltungsformen
· gesetzliche Vorgaben für die Haltung von Puten und Milchkühen
· Handelsverbot für Importprodukte aus tierquälerischer Haltung
· ganzjährige Auslaufmöglichkeiten
TIERGESUNDHEIT
Gute Haltungsbedingungen verbessern die Tiergesundheit und reduzieren den
Tierarzneimitteleinsatz. Die Krankheiten entstehen vor allem durch Enge, Bewegungsmangel,
Stress und die einseitig auf Hochleistung ausgerichtete Zucht. Durch den häufigen Einsatz
von Antibiotika entstehen zunehmend resistente Bakterien, die auch die menschliche
Gesundheit gefährden.
Grüne Lösungen:
· Reduzierung der Antibiotikamenge und Verbot des Einsatzes von Reserveantibiotika
· Ausstieg aus der vorsorglichen Behandlung ganzer Tierbestände (Metaphylaxe) – Behandlung
von Einzeltieren oder Kleingruppen
· Einschränkung des massenhaften Verkaufs von Arzneimitteln direkt durch die Tierärztinnen
und Tierärzte
· Verbot der Rabattregelung für den Großbezug von Arzneimitteln
· Einkommen der Tierärztinnen und Tierärzte vor allem über die Bestandsbetreuung und die
Tiergesundheitsvorsorge sichern
TIERZUCHT
Weltweit agierende Agrarkonzerne produzieren Tiere, die innerhalb kürzester Zeit besonders
viel Fleisch ansetzen, besonders viele Eier legen oder eine große Menge Milch geben.Diese
einseitige Selektion auf nur wenige Zuchtlinien zieht beträchtliche Folgen nach sich: Der
ursprünglich zur Verfügung stehende Genpool wird unwiederbringlich eingeengt und die Tiere
leiden unter massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Grüne Lösungen:
- Staatliche Forschungsunterstützung auf tierschutzgerechte Zuchtziele wie
Lebensleistung, Gesundheit, regional angepasste Rassen konzentrieren
- Qualzuchten von landwirtschaftlich genutzten Tieren definieren und verbieten
Tierfutter
Durch die Leistungszucht und nicht flächengebundene Tierhaltung werden Futtermittel,
insbesondere Soja (zu 90 % genverändert!) und Getreide, nach Deutschland importiert. Allein
für den Anbau für Soja nahm Deutschland im Jahr 2012 etwa 2,5 Millionen Hektar außerhalb der
EU vor allem in Südamerika in Anspruch.
Grüne Lösungen:
· artgerechte und gentechnikfreie Futterzusammensetzung und Futteraufnahme
· regionalen Futtermittelanbau forcieren
· staatliche Gelder für Züchtung, Anbau und Produktionstechnik insbesondere auf die
Fütterung einheimischer Eiweißfuttermittel ausrichten
TIERTRANSPORTE UND SCHLACHTUNG
Zucht, Mast und Schlachtung finden durch die rationalisierte Tierproduktion heute an
unterschiedlichen, weit auseinander liegenden Orten statt. Oft kommt es dabei zu schlechten
Transportbedingungen wie nicht ausreichende Standhöhe und Mangel an Wasser und Luft in den
Tiertransportfahrzeugen.
Grüne Lösungen:
· Transporte für Schlachttiere auf 4 Stunden beschränken
· regionale Schlachtstätten und mobile Schlachteinrichtungen fördern
· regionale Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen aufbauen
· Exporterstattungen und Exportbeihilfen für Fleisch und Fleischprodukte beenden
· Akkordarbeit beim Treiben, Betäuben und Töten der Tiere verbieten
· Methoden des Betäubens und Tötens überprüfen und weiterentwickeln mit dem Ziel das
Tierleid zu verringern
TIERSCHUTZ
Im Jahr 2002 wurde der Schutz der Tiere als Staatsziel in das deutsche Grundgesetz
aufgenommen. Ein Tierschutzgesetz gemäß dem grundlegenden Auftrag des Grundgesetzes ist seit
Jahren überfällig.
Grüne Lösung:
· Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzorganisationen bei behördlichen
Entscheidungen
· Tierschutzbeauftragte auf Bundes- und Länderebene
UMWELTSCHUTZ UND KLIMASCHUTZ
In der industriellen Tierhaltung haben Gülle und Mist nicht mehr die Bedeutung eines
hochwertigen organischen Düngers, stattdessen steht vorwiegend die Entsorgung der massenhaft
anfallenden tierischen Exkremente im Vordergrund. Die Folge: Nitratbelastung des Grund- und
Trinkwassers und die Zerstörung der Bodenfruchtbarkeit ganzer Landstriche.
Die globale Fleischproduktion verursacht international hohe CO2-Emissionen wie durch die
Abholzung von Regenwald für Anbau von Futtermitteln, die Zerstörung von Moorböden und den
hohen Transportaufwand.
Grüne Lösungen:
· staatliche Förderung nur noch für flächenangepasste Tierhaltung, d. h. nicht mehr als 2 GV
(Großvieheinheiten) pro Hektar bewirtschafteter Fläche
· kein Zubau mehr von Stallplätzen in Regionen, die bereits jetzt schon mehr als 2 GV pro
Hektar der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche haben
· verpflichtende Filteranlagen für neue Stallanlagen ab einer bestimmten Größe und
Nachrüstung von bestehenden Stallanlagen
INFORMATION UND BILDUNG
Direkte Absatzbeziehungen zwischen den LandwirtInnen und den Verbraucherinnen und
Verbrauchern werden heute immer seltener. Wissen über landwirtschaftliche
Produktionsprozesse und über gesunde Ernährung verschwindet und damit auch die Wertschätzung
von landwirtschaftlicher Arbeit und Erzeugnissen. Die Art und Weise, wie wir uns ernähren
und unser Essen produzieren hat aber Auswirkungen auf den gesamten Planeten.
Ernährungsbildung und klare Lebensmittelkennzeichnungen sind daher die Grundvoraussetzung
für bewusste Kaufentscheidungen.
Grüne Lösungen:
· Ernährungsbildung und gesundes Schul- und Kitaessen im Kindergarten und an allen
Schultypen
· Wissen über vegetarische und vegane Ernährung in allen Ernährungsberufen stärken, und in
öffentlichen Kantinen auch vollwertige vegetarische und vegane Gerichte anbieten.
· staatliche Fördergelder nur noch für regionale Erzeugungs-, Verarbeitungs- und
Vermarktungsstrukturen
· Einführung einer Fleischkennzeichnung, die die Haltung der Tiere für die VerbraucherInnen
transparent macht, analog zur Eierkennzeichnung
· Lebensmittelverschwendung bekämpfen
Technischer Fortschritt und wissenschaftliche Erkenntnisse in der Tierhaltung müssen
zuallererst zugunsten der Tiere und damit zum Schutz von Boden, Wasser und Klima eingesetzt
werden, das nutzt letztlich der Gesundheit der Menschen. Ausschließlich
betriebswirtschaftliche Kriterien auf Lebewesen anzuwenden ist unethisch.
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